Geschichte
Birsteiner Schulgeschichte(n)
- entnommen der Ausgabe 2 (07/97) unserer Schülerzeitung DIE GLOCKE -
Ursprünge
Verglichen mit den 30 Jahren des Bestehens der Haupt- und Realschule Birstein reicht die Geschichte der Birsteiner Schulen viel weiter zurück, nämlich bis ins 16. Jahrhundert. In alten Urkunden wird erstmals 1590 eine Lateinschule in Birstein erwähnt. In dieser Lateinschule wurden in der Hauptsache Kinder von Beamten beim fürstlichen Hofe in Latein, Religion, Lesen, Schreiben und religiösem Gesang von Präzeptoren - also jungen Pfarrern - unterrichtet. Diese Schulen können als frühe Vorläufer unserer Realschulen angesehen werden. Die Birsteiner Lateinschule bestand mit Unterbrechungen bis zu ihrer endgültigen Auflösung im Jahr 1939; das Gebäude steht heute noch in der Kirchgasse.
Der heutigen Hauptschule vergleichbar waren die Kirchspielschulen, die Einrichtungen der Kirche waren und die die Aufgabe hatten, ihren Schülern das Lesen in der deutschsprachigen Bibel und im Katechismus zu ermöglichen. Die Aufsicht über diese Schulen lag in den Händen der Pfarrer; eine erste Kirchspielschule dürfte um 1550 in Unterreichenbach gegründet worden sein. Solche Schulen wurden auch in Kirchbracht (1550) und Birstein (1597) in alten Urkunden erwähnt. Die Lehrer dieser Schulen waren oft auch Glöckner der Kirchengemeinde, hatten also das Amt des Küsters inne und waren dem Pfarrer bei allerlei Amtshandlungen behilflich. Oft waren diese Glöckner ehemalige Pfarrer, die wegen der Reformation von ihren Pfarrstellen vertrieben worden waren. Damals mussten die Kinder übrigens noch nicht zur Schule gehen, wurden aber oft durch die Pfarrer zum Schulbesuch mit mehr oder weniger sanftem Druck angehalten, damit sie zum Abendmahlsbesuch zugelassen wurden.
Da Kirchspielschulen nur in Birstein, Kirchbracht und Unterreichenbach bestanden, mussten die Kinder der übrigen Ortschaften oft weite Wege zur Schule zurücklegen. Deshalb gründeten einige Bürgermeister in ihren Ortschaften eigene Schulen, die Gemeindeschulen. Diese müssen schon zum 30-jährigen Krieg bestanden haben, denn 1657 erwähnt der Reichenbacher Pfarrer: "Es haben in einigen Dörfern die Gemeinden wieder angefangen, einen eigenen Schulmeister einzustellen, weil es zu beschwerlich ist, ihre Kinder in die Kirchspielschule nach Unterreichenbach zu schicken."
Meistens waren diese Schulen im übrigen Winterschulen, da die Kinder im Sommer bei der Ernte helfen und deshalb sowieso nicht zum Unterricht gekommen wären. Unterricht im Sommer fand erst nach Beginn des 17. Jahrhunderts statt, und da auch oft nur an bestimmten Wochentagen. Auch ist überliefert, dass manche Lehrer ihre Schulen nach Ostern ganz schlossen und erst im Oktober den Unterricht wieder aufnahmen.
Eine isenburgische Schulordnung aus dem Jahre 1730 versuchte, Ordnung in die teilweise chaotischen Verhältnisse in den Gemeindeschulen zu bringen. In ihr war festgelegt, dass Kinder vom 5. Lebensjahr bis zu ihrer Konfirmation die Schule besuchen mussten, dass die Aufsicht über die Schulen in die Hände der Pfarrer gelegt wurde und dass Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schickten, vom Kirchenvorstand bestraft werden konnten. Auch sollten die dort angestellten Lehrer besser bezahlt werden. Mädchen besuchten übrigens die Schulen bis ins 18. Jahrhundert nur äußerst selten, obwohl sie seit 1768 zum Schulbesuch verpflichtet gewesen waren. Selbst aus dem 19. Jahrhundert wird berichtet, dass Frauen auf Verträgen oft nur mit drei Kreuzen unterschrieben, weil sie nicht einmal ihren Namen schreiben konnten.
Nachdem das Fürstentum Isenburg 1815 aufgelöst worden war, unterstand das Schulwesen im Gebiet der heutigen Großgemeinde Birstein dem Kurfürstentum Hessen-Kassel. Dort wurde in einem Schulgesetz aus dem Jahre 1834 festgelegt, dass die Aufsicht über die Schulen weiterhin durch die Pfarrer wahrzunehmen sei. Der Pfarrer hatte über den Lebenswandel des Lehrers zu wachen, musste mehrmals im Schuljahr den Unterricht besuchen und Berichte darüber verfassen. Waren Hauptinhalte des Schulunterrichts bis dahin oft das Lesen in der Bibel, das Lernen von Katechismusversen und das Singen von Kirchenliedern gewesen, werden in diesem Schulgesetz auch die Fächer Schreiben und Rechnen ausdrücklich erwähnt. Außerdem wird die Zahl der wöchentliche Unterrichtsstunden auf 30 festgelegt. Die Schulaufsicht durch die Pfarrer endet erst 1921.
Von den Dorfschulen zur Mittelpunktschule
Ende des 19. Jahrhunderts bestanden in Birstein eine evangelische Volksschule, eine katholische Schule, die Schule der israelitischen Kirchengemeinde und die Lateinschule.
Die Volksschule wurde 1893 in einem Neubau im Schulweg Nr. 9 untergebracht; sie verfügte über vier Klassenzimmer und eine Schuldienerwohnung. Im Obergeschoß befand sich die "Strickschule" für Mädchen, eine Stiftung der Fürstin Charlotte von Isenburg. Im Jahre 1893 besuchten insgesamt 120 Schüler diese Schule, die in einer Elementarklasse und einer Oberklasse von zwei Lehrern unterrichtet wurden.
Die katholische Schule war zunächst in den ehemaligen Räumen der protestantischen Schule in der Reichenbacher Straße Nr. 4 mit 34 Schülern untergebracht; in der Reichenbacher Straße 10 wurde im Oktober 1893 ein Neubau eröffnet.
Die israelitische Schule, zunächst im Unterberg, Am Riedbach 10, beheimatet, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von 45 Kindern aus Birstein, Sotzbach, Unterreichenbach, Helfersdorf und Hitzkirchen besucht. 1904 wurde sie in einen Neubau hinter der Synagoge in der Hauptstraße 25 verlegt. Sie wurde, ebenso wie die katholische und die Lateinschule, im Nationalsozialismus zwangsaufgelöst.
Eine starke Zunahme von Schülern verzeichnet die Volksschule in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg: die Auflösung der katholischen und der Lateinschule und der Zuzug von Heimatvertriebenen lassen die Schülerzahlen bis auf 191 im Schuljahr 1949/50 ansteigen, die von vier Lehrern in vier Klassenräumen unterrichtet werden.
Von 1962 an konnten Mädchen und Jungen aus Birstein, Fischborn, Wüstwillenroth, Ober- und Unterreichenbach und Obersotzbach auf freiwilliger Basis eine "Sammelklasse" in Birstein besuchen. Dazu wurde der Schule ein Raum im Bürgermeisteramt in der Kirchgasse zur Verfügung gestellt, der nur 34 m2 groß und bis dahin von der Realschule belegt war.
Die Realschule war übrigens als "Filiale" der Realschule Wächtersbach in der Kirchgasse im Gebäude der ehemaligen Lateinschule untergebracht; sie bekam zusätzlich einen Pavillon zur Verfügung gestellt. Die "Sammelklassen" sollten den Kindern aus den verschiedenen Dörfern die Möglichkeit geben, Unterschiede im Leistungsgefälle zwischen den einzelnen Schulen auszugleichen und begabten Kindern den Besuch der Realschule zu ermöglichen. Der Transport der Kinder nach Birstein erfolgte im übrigen mit Schulbussen der Kreiswerke Gelnhausen.
Am 23. März 1964 wurde der "Schulverband Oberer Vogelsberg" gegründet, um den Weg zur Gründung einer Mittelpunktschule, die Landkindern bessere Bildungsmöglichkeiten geben sollte, frei zu machen. Neben den Birsteiner Kindern besuchten ab 1964 Kinder der 5. Klassen aus Fischborn und Udenhain, später auch die "Oberstufenkinder" aus Lichenroth, die Birsteiner Volksschule.
Da die Schülerzahl stetig anstieg, wurde die Raumnot immer größer. Der damalige Rektor, Georg Acker, musste ständig sein Improvisationstalent beweisen, um den Unterricht aufrecht erhalten zu können. Unterrichtet wurde in den Räumen der Volksschule im Schulweg und im "Braunen Haus" in der Lauterbacher Straße 3 (heute Parkplatz des Kindergartens). Die Räume dort maßen 48 m2 und 34 m2 , waren von 31 und 35 Kindern belegt ".. und entsprachen nicht den hygienischen und pädagogischen Anforderungen. Da die vorhandene Toilette unbrauchbar war, mussten die Schüler über die Straße zu den 150 m entfernten Toiletten der Volksschule gehen."
Mit dem Schuljahr 1966 stieg die Schülerzahl auf 320! Der Schulverband sucht verzweifelt nach Ausweichquartieren und mietet schließlich folgende Räume an: Einen 110 m2 großen Raum für das 3. und 4. Schuljahr im Gasthaus Stengert - heute: Unterbergschenke -, den 52 m2 großen Raum im kath. Jugendheim als Klassenraum für 37 Kinder des 7. Schuljahres und den Fabrikraum der Firma Friedrich Fink, Mühlweg 1, der 95 m2 misst und als "Fachraum" für Physik, Chemie und Werken dient.
Diese katastrophalen äußeren Umstände machten eine rasche Verwirklichung eines Schulneubaus der Mittelpunktschule unumgänglich. Unter Federführung des "Schulzweckverbandes Mittelpunktschule Oberer Vogelsberg", dem außer den Birsteiner Ortsteilen noch die Gemeinden Radmühl, Udenhain, Katholisch-Willenroth und Helfersdorf angehörten, versuchten die Verantwortlichen in tage- und nächtelängen Verhandlungen mit Gemeindevertretern und Eltern, diese von der pädagogischen Notwendigkeit der neuen Schule zu überzeugen. Besondere Verdienste erwarben sich bei diesen Verhandlungen der damalige Schulrat Schmittel, Bürgermeister Erb und Oberamtmann Fleckenstein von der Kreisverwaltung.
Die Zustimmung zum Bau der Schule erteilte der Hessische Kultusminister Schütte im Mai 1965. Nach einem Architektenwettbewerb wurde das Architektenbüro Stöhr und Moosbrugger aus Frankfurt mit dem Bau der Schule beauftragt. Bereits im Januar 1966 wurden die Bauarbeiten aufgenommen, das Richtfest fand am 4. Juli 1966 statt. In die noch nicht ganz fertig gestellte Schule zogen am 1.9.1966 insgesamt 721 Schülerinnen und Schüler ein; ihnen standen 18 Klassenräume und diverse Fachräume zur Verfügung, wobei es noch fast ein Jahr dauerte, bis die noch nicht fertig gestellte Turnhalle erstmalig benutzt werden konnte. Die feierliche Einweihung der "200. Mittelpunktschule Hessens" fand am 5. Oktober 1967 in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Zinn und des damaligen Kultusministers, Prof. Dr. Schütte, statt. Erster Rektor der Schule war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst 1983 Edmund Spohr.
Mit der Gründung der Mittelpunktschule wurden die Birsteiner Volksschule und die Realschule aufgelöst. Ein neues Kapitel Birsteiner Schulgeschichte hatte begonnen!